Bericht aus Timisoara (m. 22 B.)

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Ingo Teschke
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Bericht aus Timisoara (m. 22 B.)

Ungelesener Beitrag von Ingo Teschke » 23. April 2025 21:46

Hallo,
vor gut zwei Wochen war ich mal wieder in Timisoara. Noch fahren die Hansa-Triebwagen und die umgebauten Wegmann-Triebwagen im Liniendienst (und so, wie ich es einschätze, wird das auch noch 2 – 3 Jahre so sein). Hier der Link zu meinem letzten Beitrag aus dem Jahr 2021: Link zum Besuch Oktober 2021.

Seit 2021 hat sich das Bild des Straßenbahnbetriebs sehr verändert. Jetzt bestimmen 40 Niederflurwagen des türkischen Herstellers Bozankaya das Bild der Straßenbahn. Etwa zwei Drittel der 43 täglichen Einsatzkurse sind mit Niederflurwagen bestückt, etwa 8 umgebaute Wegmann-Triebwagen («Armonia») sind auf Linie plus zwei Fahrschul-Armonias, und werktäglich fahren meistens acht Hansa-Triebwagen, davon sechs auf der Linie 7, auf der derzeit keine anderen Wagentypen verkehren können. Der Grund soll u. a. in der Stromversorgung der Strecke liegen. Die Verkehrsbetriebe beabsichtigen aber, weitere 10 Niederflurwagen – in einer kürzeren Variante – auszuschreiben.

14 Hansa-Triebwagen GT4c gehören zum Einsatzbestand für den Linienverkehr, dazu gibt es zwei Hansa-Arbeitswagen. Beiwagen und Triebwagen der Serie GT4b sind nicht mehr im Einsatz und auch nicht mehr auf dem Gleisnetz vorhanden.

Von den ursprünglich 30 umgebauten Wegmann-Triebwagen «Armonia» sind noch 24 vorhanden, zum Einsatzbestand zählen noch ca. 15.

Zunächst ein paar Bilder zum Fahrzeugpark:
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Bild 1: Tw 3472 im Einsatz auf der Linie 8. Er verlässt gerade die grosse Schleife im Kreisverkehr AEM. Die Rumänien-Flagge im Hintergrund ist neu und lädt zu interessanten Aufnahmen ein.
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Bild 2: Am anderen Ende der Linie 8 verlässt Tw 3449 gerade die Einstiegshaltestelle vor dem Nordbahnhof (Gara Nord). Der Wagen trägt eine auffällige Gestaltung in Erinnerung an die friedliche Revolution im Rumänien vor 35 Jahren.
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Bild 3: Bleiben wir zunächst noch bei der Linie 8, auf der in der Regel zwei Hansa-Wagen verkehrten. Hier sehen wir 3475 (ex Bremerhaven 80) kurz vor dem Piata Balcescu.
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Bild 4: Beim Anblick des Wageninnern von Hansa-Triebwagen werden Kindheitserinnerungen wach … Hier eine Innenaufnahme von Triebwagen 3466.
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Bild 5: Zwei Hansa-Triebwagen sind zu Arbeitswagen geworden. Der Triebwagen 3478 (jetzt VS3478) wird für die Haltestellenreinigung eingesetzt. Sein Einsatz ist vor allem nachts. Im B-Teil des Wagens sind die Fenster ausgebaut, so dass Gerät und Restmüll schnell auf- und abgeladen werden können.
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Bild 6: 3435 ist der einzig verbliebene Wagen der GT4b-Serie. Im Wageninnern sind aber keine Sitze mehr, sondern der Wagen liegt voll mit Ersatzteilen für Hansawagen, sei es Sitze oder Türflügel. Der Wagen wird gelegentlich auf dem Gelände der Hauptwerkstatt hin- und herrangiert, je nachdem, wo die Materialien gebraucht werden.
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Bild 7: Auf dem Gelände der Hauptwerkstatt stehen auch einige Fahrzeuge abgestellt, die für das Museum vorgesehen sind. Hinter dem Transportwagen VS263 steht der Wegmann-Triebwagen 3523, dahinter ein Münchener P-Wagen.
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Auf einem STPT-Grundstück an der Str. Garii/Str. Gela stehen etliche ausrangierte Fahrzeuge, hier u.a. die Hansa-Triebwagen 3434, 3443 und 3465. Dazwischen der ausgemusterte «Armonia» 3517.
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Bild 9: Kommen wir zu den «Armonias», den umgebauten Wegmann-Triebwagen. Von ursprünglich 30 Stück waren noch 24 vorhanden, davon einige abgestellt. Der Einsatzbestand beträgt ca. 15 Wagen. Hier sehen wir Tw 3516 auf der Ringlinie 6a kurz nach dem Piata Sfa. Maria. Auf der 6 sind die Wagen regelmässig im Einsatz, ebenso auf der Linie 8. Weiterhin konnten vereinzelte Kurse auf den Linien 1, 2 und 9 beobachtet werden.
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Bild 10: Zwei Armonias, der 3512 und der 3539, waren für die Fahrschule im Einsatz. Hier 3539 an der Haltestelle Banatul nahe dem Betriebshof Dambovita.
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Bild 11: Dominierend sind die 40 Niederflurwagen, die es in zwei farblichen Ausführungen gibt. Die Wagen 1001 – 1023 wurden in lila-weisser Lackierung, dem bisherigen Farbschema in Anlehnung an die Farben des örtlichen Fussballvereins, geliefert. Ab Wagen 1024 tragen die Wagen die Farben der Stadt, gelb-weiss. Hier begegnen sich am Piata Badea Cartan die Wagen 1014 und 1007.
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Bild 12: Deutlich besser gefallen mir die Wagen mit gelber Lackierung, hier der erst wenige Monate alte Tw 1034 vor der Kathedrale.
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Bild 13: Auch im Busbereich gibt es viele Neufahrzeuge, genauer gesagt 44 E-Gelenkbusse des türkischen Herstellers Karsan. Auch auf der Flughafen-Linie E4 brachte mich ein E-Gelenkbus zum Rückflug von Timisoara über München nach Bremen.
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Bild 14: Kommen wir zu den renovierten Strecken. Die Strecke von Banatim zum grossen Kreisel AEM im Südosten der Stadt bot immer «schweren Seegang» und war einer modernen Straßenbahn nicht würdig. Tw 1027 erreicht gerade die Endstelle AEM – die Gleise sind einbetoniert, und die Reihe der Fahrleitungsmasten ist schon beeindruckend.
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Bild 14a: Zum Vergleich zeige ich noch mal ein Bild aus meinem Besuchsbericht des Jahres 2019 von der gleichen Stelle.
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Bild 15: Auch im Nordwesten der Stadt, auf der Strecke zur Calea Torontalului, hat sich einiges getan. Hier wurde die Trasse in der Mitte der vierspurigen Straße auf Rasengleis umgebaut. Die Gleislage ist wirklich exzellent, die Bahnen kommen schnell voran. Der hier gezeigte Abschnitt kurz vor der Endstelle war früher eingleisig und wurde jetzt zweigleisig ausgebaut, so dass sich die Linien 4 und 7 hier nicht mehr gegenseitig behindern.
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Bild 16: Auch die Endstelle Torontalului wurde erneuert. Im Zuge des zweigleisigen Ausbaus wurde auch die Fahrrichtung in der Schleife gedreht – jetzt fahren die Bahnen entgegen dem Uhrzeigersinn.
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Bild 17: Wie ich 2019 berichtet hatte, war damals die Strecke der Linie 5 von Balta Verde nach Ronat stillgelegt worden. Man berichtete damals zwar von einer Erneuerung, aber ich hatte nicht daran geglaubt. Seit letztem Jahr fährt hier die Linie 5 wieder, und zwar auf eigenem Rasengleiskörper zweigleisig in Mittellage einer jetzt vierspurigen Straße. Am Ende in Ronat ist eine Unterführung im Bau, durch die auch die Straßenbahn Richtung Nordbahnhof verlängert wird.
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Bild 18: Zum Vergleich ein Bild aus dem Jahr 2002. Der Hansa-Triebwagen 3454 fährt in Seitenlage auf der eingleisigen Strecke. Man beachte das Haus im Hintergrund, das auch in Bild 17 zu sehen ist. Die Beschaulichkeit in diesem Stadtteil ist jetzt vorbei, und ob sich die Leute über den künftigen Durchgangsverkehr freuen werden … Aber die neue Straßenbahn, die ist in meinen Augen top!
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Bild 19: Auch in Sachen Fahrgastinformation gibt es Innovationen in Timisoara. Über eine App oder über die Webseite der STPT kann man sich die aktuellen Standorte der eingesetzten Fahrzeuge ansehen. Wahrscheinlich darauf basierend, gibt es an einigen Haltestellen – leider sehr ungünstig platziert - auch Infoscreens mit den nächsten Abfahrten inkl. Anzeige der Wagennummer. Und an der Kathedrale wurde diese Anzeige installiert, die abwechselnd die Linie oder die Wagennummer anzeigt. Also hier kommen in 6 und 22 Minuten Hansa-Wagen vorbei. Gut für Fotografen, aber für die Fahrgäste bleibt – nicht nur wegen dieses Beispiels – noch viel Luft nach oben in Sachen Information.
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Bild 20: Kommen wir zum Abschluss des Berichts noch einmal auf die Hansa-Wagen zurück. Die letzte «beschauliche» Strecke ist die Linie 7 im Südwesten der Stadt. Hier können auch nur Hansa-Wagen verkehren. Tw 3472 erreicht gerade die Haltestelle Progresul, im Hintergrund entschwindet Wagen 3450.
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Bild 21: Das «Postkartenmotiv» von Timisoara vor der Kathedrale gelang mir mit Tw 3479. Dieser Wagen fuhr 14 Jahre in Bremerhaven, dann 15 Jahre in Bremen und jetzt schon seit 27 Jahren in Timisoara!
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Bild 22: Und zum Abschluss mein Lieblingsmotiv des diesjährigen Besuchs – inmitten der Baumblüte erreicht Tw 3451 gleich die Haltestelle Piata Crucii.
Mit diesem Frühlingsgruß hoffe ich, dass ich ein wenig Interesse für die interessante Stadt geweckt habe.

Gruß
Ingo Teschke

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Peter Burtchen
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Anmerkungen zum Namen der Stadt

Ungelesener Beitrag von Peter Burtchen » 24. April 2025 14:19

Hallo Ingo,

das ist ein sehr schöner und interessanter Bericht , den du hier eingestellt hast. Vielen Dank dafür.

Gestatte mir jedoch bitte ein paar Anmerkungen zum Namen dieser Stadt.

Wir Bremer, und speziell wir Bremer Straßenbahner und Straßenbahnfans, haben ja von der Existenz dieser hinter dem ehemaligen „Eisernen Vorhang“ gelegenen Stadt mehr oder weniger erst durch die Lieferung der in Bremen nicht mehr benötigten Straßenbahn-Fahrzeuge nach dort erfahren. Da war es naheliegend, den in der Landessprache üblichen Namen Timisoara auch in unseren Sprachschatz mit zu übernehmen.
Dabei hat diese Stadt, wie viele europäische Städte, auch einen deutschen Namen, nämlich Temeswar. (Der zweite deutsche Name, Temeschburg, ist allerdings verpönt, da er Nazi-behaftet ist).
Für die deutschsprachige Minderheit gibt es sogar einen eigenen Radiosender mit Namen Radio Temeswar, und das dortige Konsulat wird offiziell „Deutsches Konsulat Temeswar“ genannt https://rumaenien.diplo.de/ro-de/vertre ... lkonsulat2 und begrüßt die Gäste auf der Homepage mit „Willkommen in Temeswar“.

Wir empfinden es als völlig normal und selbstverständlich, wenn europäische Städte in den Nachrichten in den Medien mit ihren deutschen Namen benannt werden, wie z. B. Genf, Brüssel, Kopenhagen, Warschau, Moskau, Prag, Rom usw. und es gilt auch nicht mehr als revanchistisch, wenn heutige polnische Städte mit ihren alten deutschen Namen Swinemünde, Stettin, Danzig benannt werden (Hans Koschnik musste damals noch „Gdansk“ sagen, um nicht anzuecken).

Im Rshmen der damaligen Öffnung für Besucher aus dem Westen habe ich 1969 und 1970 Urlaub an der rumänischen Schwarzmeerküste gemacht. Das war noch zu Zeiten des „Kalten Krieges“, und dennoch wurde am Urlaubsort für Ausflüge nach Kronstadt (statt Brasov), Hermannstadt (statt Sibiu) und in die Hauptstadt Bukarest (statt Bucuresti) geworben. Und der Flughafen wurde „natürlich“ Konstanza (statt Constanta) genannt.

Insofern bildet Timisoara wohl ein Ausnahme von der sprachlichen Regelung.


Viele Grüße, Peter

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Ingo Teschke
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Re: Anmerkungen zum Namen der Stadt

Ungelesener Beitrag von Ingo Teschke » 24. April 2025 19:44

Peter Burtchen hat geschrieben:
24. April 2025 14:19
... auch einen deutschen Namen, nämlich Temeswar. ...
Insofern bildet Timisoara wohl ein Ausnahme von der sprachlichen Regelung.
...
Hallo Peter,

das ist keineswegs eine Ausnahme. Hauptstädte wie Ljubljana, Bratislava, Vilnius und Tallinn werden in Medien und im Sprachgebrauch auch nicht mit ihren deutschen Namen Laibach, Pressburg, Wilna oder Reval betitelt, um nur einige Beispiele zu nennen.

Da ich in der Schweiz wohne, weiss ich nur zu gut, dass ein falsch verwendeter Städtename durchaus emotionale Reaktionen hervorrufen kann, auch wenn die meisten Personen das eher lächelnd wegstecken. Um jeglichen Missverständnissen vorzubeugen, halte ich es wie alle Eisenbahner - der Zielbahnhof eines Zuges wird grundsätzlich in der Sprache des Zielortes angeschrieben.

Auch praktisch gibt es dort Grenzen, denn in einem Fotobericht verwende ich gern die Haltestellennamen zur Orientierung. Von denen kennt man kaum deutschsprachige Bezeichnungen, wenn es sie überhaupt gibt. Und ein Mischmasch wie "Timisoara, Marienplatz" oder "Temeswar, Calea Torontalului" ist doch auch irgendwie komisch, oder?

Gruss
Ingo

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